hauptverzeichnis die klanginstallationen topophoniczones |
Wie stellt man einen Klang aus ? Die Frage enthält bereits
den Widerspruch zwischen verschiedenen Kunstformen. Eine
Ausstellung wird als räumliche Folge von einem Besucher
erlebt - dies ist die Konvention der Kunstausstellung. Ein
Klang wird als zeitliche Abfolge von statischen Zuhörern
erlebt - dies ist die Konvention der Musikaufführung. Für den
Besucher einer Ausstellung entwicklet sich ein subjektives,
von ihm selbst steuerbares Zeiterleben in der Bewegung durch
den Raum - für den Zuhörer eines Konzerts entwickelt sich
eine objektive Struktur von Zeit. Jeder Versuch, diesen
Konventionen zu entkommen, muss sich mit der Hartnäckigkeit
dieser festgeschrieben Erlebnisweisen von Kultur
auseinandersetzen.
Das Projekt "TopoPhonicZones" von Sabine Schäfer setzt genau an diesem Punkt an und zeigt in vier aufeinanderfolgenden Räumen vier Modi die akustischen, optischen und körperlichen Weisen der Wahrnehmung zu verknüpfen. Es beginnt mit einem Klangtunnel - eine lineare Strecke, die der Besucher im Raum zurücklegt, lässt durch die subjektive Bewegung eine Passage von Klängen entstehen. Im folgenden, grossen Saal wird es komplexer: der "sound warp" kreist über dem Besucher - andere Einzelklänge sind nur im Umhergehen herauslösbar und erfordern eine nahes Herangehen an den Lautsprecher, so als sei der Klang ein Objekt, das man näher betrachten will. Der Zuhörer muss immer wieder zum Lauscher werden und schwankt in seiner Aufmerksamkeit zwischen dem Ganzen und den Details. Die "Früchte des Kolumbus" von Hens Breet spielen mit derselben räumlichen Ambivalenz - aus der Ferne, in der Projektion, ein magisches Flimmern - aus der Nähe nichts ausser Kartoffeln. Im nächsten Raum fordert die Kompostion "lines between" den Zuhörer mehr als bisher zum statischen Verweilen auf, die Gesamtlänge des Stücks ist 2 Stunden. Es wird ihm sogar ein Stuhl angeboten, von dem aus er dem um ihn schwingenden Klang folgen kann. Ebenso wie die Komposition sich hier konventionellen, linearen Formen der Musik nähert, bleiben auch die Wandrefliefs von Werner Cee im Rahmen der klassischen bildenden Kunst, so dass es zu einem Kontrast von statischem Bild und mobilem Klang kommt. Ganz anders im letzten Raum: "Lost" verschmilzt intensive optische und akustische Impulse zu einem kurzen, aber heftigen Eindruck. Der Besucher sitzt nicht und wandelt nicht umher - er steht auf der in den Raum ragenden Bühne - "wie vom Donner gerührt" - so als würde er von einem Aussichtsbalkon auf ein Naturschauspiel blicken. Jeder der vier Räume von "TopoPhonicZones" ist das Modell für eine mögliche Form interdisziplinärer Kunst. Jeder Raum trägt eine andere Stimmung und setzt das Pubklikum in eine andere Position gegenüber dem Kunstwerk. Viele Metaphern drängen sich auf: die vier Jahreszeiten, die vier Elemente, die vier Himmelsrichtungen. Keine trifft genau zu - aber dennoch sind alle vier Erlebnismodi Abstraktionen von naturhaften Prozessen und spielen mit den Übergängen von heiss und kalt, fest und flüssig, nah und fern, ohne aber zu simplen Allegorien zu werden. Die Installation von "TopoPhonicZones" im Badischen Kunstverein Karlsruhe nimmt genau auf die vorhandene Architektur Bezug - jeder Raum ist eine subtile Umsetzung der jeweils ganz anderen architektonischen Struktur. Hier liegt die Stärke dieses Projekts - hierin zeigt sich aber auch, welchen Aufwand eine interdisziplinäre Arbeit erfordert, bei der jahrelange Vorarbeiten zu einem Ereignis von nur fünf Tagen nötig sind. Ein Projekt dieser Art ist nicht ohne weiteres von Museum zu Museum oder von Konzertsaal zu Konzertsaal zu transportiern - es hat eine Qualität, die im Kulturbetrieb immer seltener geworden ist: die Einzigartigkeit eines Ereignisses für einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit.
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